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UGW-Forum 2022: OECD-Mindeststeuer – was bedeutet sie für Zürich?

Mittwoch, 30. November 2022

«Nicht schummeln – aber schlau vorgehen»

von Andreas Schürer, rivedia.com

Die Standortattraktivität der Schweiz ist unter Druck – und mit der OECD-Mindeststeuer gezielten Angriffen ausgesetzt: Diese Botschaft ist am Forum der Unternehmergruppe Wettbewerbsfähigkeit klar geworden. Ebenso klar ist, dass es nicht eine einzelne «goldene» Massnahme gibt, um den Standort Schweiz zu verteidigen. Vielmehr zeigten Referenten aus Politik und Wirtschaft auf, dass es Geschlossenheit braucht. Ein politisches Hickhack würde massiven Schaden anrichten.

Christof Domeisen, Präsident der Unternehmergruppe Wettbewerbsfähigkeit (UGW) und CEO der Angst + Pfister Group, brachte zu Beginn der Veranstaltung im Zunfthaus zur Schmiden in Zürich eine positive und eine kritische Einschätzung ein. Das Positive vorneweg: «Ich bin hoch erfreut», sagte Domeisen, «dass der Kantonsrat die Kredite für den Innovationspark in Dübendorf genehmigt hat». Vor zwei Jahren sei das Projekt praktisch tot gewesen. Jetzt sei die Wiedergeburt geglückt. «Das ist ein Meilenstein für die Schweiz und für Zürich», sagte Domeisen. Seine kritischen Worte betrafen die Politik in Bern: Es werde immer mehr Geld verteilt – so als sei dieses selbstverständlich vorhanden und erneuerbar. «Das Abwehrdispositiv hat versagt», schlussfolgerte der Präsident der Unternehmergruppe Wettbewerbsfähigkeit.

UGW-Präsident Christof Domeisen: «Das Ja des Kantonsrats zum Innovationspark ist ein Meilenstein für die Schweiz und für Zürich»

Gezielter Angriff von Hochsteuerländern

Ein funktionierendes Abwehrdispositiv ist dringend gefragt im Umgang mit der OECD-Mindeststeuer. Ernst Stocker, Regierungspräsident und Finanzdirektor des Kanton Zürichs, brachte die Ausgangslage wie folgt auf den Punkt: «Das Ziel der neuen Mindeststeuer ist klar – die Hochsteuerländer wollen Steuersubstrat eintreiben und sich ein grösseres Stück vom Kuchen abschneiden, um ihre leeren Kassen zu füllen.» Und das geht so: International tätige Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens 750 Millionen Franken müssen neu mindestens 15 % Gewinnsteuern zahlen. Liegt die Besteuerung darunter, können andere Länder, in denen die betroffenen Unternehmen tätig sind, die Differenz eintreiben. Die Schweiz plant die Einführung der OECD-Mindeststeuer auf den 1.1.2024. Voraussetzung für die Umsetzung ist, dass das Stimmvolk im Juni 2023 die Vorlage genehmigt.

Die Nachteile eines Alleingangs wären erdrückend. Umso wichtiger ist, die Umsetzung möglichst geschickt anzugehen. Zumindest am UGW-Forum herrschte Einigkeit. Neben dem Regierungspräsidenten Ernst Stocker legten auch FDP-Nationalrat Beat Walti und René Röthlisberger, Head Group Tax der Zurich Insurance Group, überzeugend dar, warum die Einführung der Mindeststeuer nötig ist – und wie das Abwehrdispositiv aufgezogen werden sollte, um Schäden zu minimieren.

Für Regierungspräsident Ernst Stocker steht im Vordergrund, dass den Unternehmen glaubwürdig folgende Botschaft vermittelt werden kann: «Es wird für euch nun zwar allenfalls etwas teurer in der Schweiz. Aber ihr könnt weiterhin auf eine gute Infrastruktur und auf gut ausgebildete Fachkräfte zählen.» Insgesamt rechne der Bund mit Mehreinnahmen von 1 bis 1,5 Milliarden Franken im Jahr. Dieses Geld müsse geschickt so investiert werden, dass es dem Standort zugutekomme.

Beim Einsatz der Mehreinnahmen müsse pragmatisch und mit einem guten Gespür für die politische Stimmung im Land vorgegangen werden, sagte der Regierungspräsident. Er selbst sei auch ein Freund des Steuerwettbewerbs. Dieser dürfe aber nicht zu Exzessen führen – sonst seien «Retourkutschen» an der Urne programmiert. Konkret heisst das für Ernst Stocker: «Die Mehreinnahmen müssen in die Standortattraktivität investiert werden – und nicht in die Reduktion der Steuerbelastung für die natürlichen Personen.» Abgewehrt werden müssten auch allerlei «gute Ideen» zur Verwendung der Mehreinnahmen, die im Bundeshaus kursierten oder noch erfunden würden. Anknüpfend an Christof Domeisens einführende Kritik am allzu ausgabenfreudigen Parlament in Bern sagte Ernst Stocker: «Wir sind verwöhnt, das Geld wird mit beiden Händen ausgegeben. Der liberale Geist ist mit Corona entschwunden.»

UGW-Geschäftsführer Christian Bretscher im Gespräch mit René Röthlisberger (Head Group Tax Zurich Insurance Group), Nationalrat Beat Walti und Regierungspräsident Ernst Stocker, Finanzdirektor des Kantons Zürich (v.l.n.r.)

«Minimaler Spielraum, maximales Gezerre»

Die politischen Auseinandersetzungen in Bern kennt Beat Walti aus nächster Nähe, im OECD-Dossier auch als Mitglied der nationalrätlichen Wirtschaftskommission (WAK). Dass die finanzpolitische Disziplin nicht besonders hoch im Kurs steht, bestätigte er mit der Aussage: «Der Fantasie für die Verwendung der Mehreinnahmen sind keine Grenzen gesetzt.» Auch er hielt dagegen, wie wichtig es sei, die Mittel in die Standortattraktivität zu investieren. Betroffen sei zwar nur eine kleine Gruppe von Unternehmen – aber eine äusserst wichtige. Um dies zu illustrieren, erläuterte Beat Walti, dass 3 Prozent der Unternehmen 90 Prozent der Unternehmenssteuern in der Schweiz bezahlten. Etliche der Firmen aus dieser Gruppe seien nun jene, die von der neuen Mindeststeuer betroffen seien. Ziehe man noch zu Rate, dass multinationale Unternehmen in der Schweiz rund 1,5 Millionen Arbeitsplätze böten, liege die Schlussfolgerung auf der Hand: «Wir haben alles Interesse, diesen Unternehmen weiterhin attraktive Rahmenbedingungen zu bieten.»

Doch wie kann das erreicht werden? Für Beat Walti liegt die Antwort in der Erkenntnis, dass es bei der OECD-Mindeststeuer nicht um eine steuer-, sondern um eine standortpolitische Frage gehe. Der Wettbewerb werde nun von der Steuer- auf die Subventionsebene gelenkt. Dabei müsse auch neu und kreativ gedacht werden. Wichtig sei zunächst, dass die Mehrheit der Mittel zu 75 Prozent den Kantonen zugutekäme und zu 25 Prozent dem Bund. Die Kantone würden die Unternehmen am besten kennen – und damit auch am besten gezielt Massnahmen finanzieren, die der Wirtschaft wiederum einen Mehrwert böten.

Diese Forderung unterstützte René Röthlisberger, Head Group Tax der Zurich Insurance Group: «Aus Sicht der Wirtschaft wäre das eine gute Lösung, weil die Kantone tatsächlich näher an den Unternehmen sind.» Wichtig sei zudem, eine schlanke und pragmatische Umsetzung sicherzustellen, die aber international konform sein müsse. Unbedingt vermieden werden müsse, dass Rechtsunsicherheit entstehe und einzelne Unternehmen in verschiedenen Ländern punktuell belegen müssten, dass sie mit 15 Prozent besteuert worden seien. Schon jetzt sei der administrative Aufwand der Neuerung enorm und nur mit zusätzlichem Personal und Investitionen in Systeme zu stemmen. Für René Röthlisberger könnten die Behörden den Unternehmen helfen, wenn sie Hand böten zu kooperativen und schlanken Umsetzungen.

Enorm hoher administrativer Aufwand

Der Head Group Tax der Zurich Insurance Group stimmte Beat Walti auch zu, dass es eine standortpolitische Vorlage ist – und andere Länder massiv den Subventionstopf anrühren würden. Da seien auch in der Schweiz kreative Wege gefragt. Dabei dürfe aber nicht auf «Buebetrickli» gesetzt werden, um die Rechtssicherheit nicht zu gefährden. Darum missfalle ihm auch der Begriff «Kompensationsmassnahmen», sagte René Röthlisberger. «Das tönt anrüchig». Wichtig ist laut René Röthlisberger zu betonen, dass es nicht die eine goldene Massnahme gebe, mit der man den gordischen Knoten lösen könne. Vielmehr brauche es ein Sammelsurium an Einzelmassnahmen, mit denen in der Summe der Schaden für den Standort minimiert werden könne.

Was er sich denn wünschen würde, wenn er einen vorweihnächtlichen Wunsch freihabe, fragte Christian Bretscher, Geschäftsführer der UGW und Moderator der Diskussion. René Röthlisberger antwortete: «Die verschiedenen Kräfte in der Schweiz müssen möglichst an einem Strang ziehen, um diesen Angriff aus dem Ausland auf das hiesige Steuersubstrat bestmöglich abzuwehren.» UGW-Präsident Christof Domeisen brachte das in der Diskussion pointiert so auf den Punkt: «Wir dürfen keinesfalls schummeln. Aber wir müssen schlau vorgehen.»


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